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von viennameteo » Do Jun 09, 2011 22:55
Das Fliegen funktioniert durch Auftrieb.
Bei Start und Landung ist eine starke Zunahme des Rückenwinds (Böen) schlecht, da es die Nase des Flugzeugs nach unten drückt, d.h. das Flugzeug verliert an Auftrieb. Wenn der Pilot nicht rechtzeitig gegensteuert (d.h. schneller wird), sackt das Flugzeug ab, und der Mageninhalt sagt Grüß Gott. Bei der Landung kann das zum Absturz führen, beim Start braucht der Pilot mehr Leistung (Kosten!) und eine längere Startstrecke.
Gegenwind sorgt hingegen für mehr Auftrieb bei gleichbleibender Geschwindigkeit, d.h. beim Start reicht eine kürzere Startbahn und bei der Landung reicht weniger Leistung und ein kürzerer Bremsweg, da der Pilot sozusagen hinuntersegeln kann.
Auswirkung in Innsbruck (Flughafen im Westen der Stadt):
Innsbruck liegt im Inntal, dessen Winde durch die Täler und Berge (Thermik!) generiert werden. Unter Schönwetterverhältnissen herrscht tagsüber ein mäßiger Taleinwind (Ostwind) und nachts ein schwacher Talauswind (Westwind). Bei diesen Verhältnissen fliegen die Piloten grundsätzlich vom Unterland her, also auch bei Taleinwind, da dieser selten so ruppig wird, dass die Piloten Schwierigkeiten bekommen.
Anders bei Südföhn über den Brenner, dieser biegt in der Stadt nach Westen ab, sorgt also für kräftigen Ostwind am Flugfeld. Jetzt sieht man die Flugzeuge von Westen steil absinken und landen. Bei Nordföhn über Seefeld ist es andersherum: starker Westwind und alle fliegen von Osten (über die Stadt) herein.
Warum fliegen sie nicht generell von Westen über weniger bebautes Gebiet? Weil vom Unterland wesentlich längere Zeit Sicht auf den Flughafen herrscht bzw. auch bei Schlechtwetter angeflogen werden kann (Leitstrahl). Nach Westen zu steigt das Gelände rasch an, außerdem macht das Inntal bei der Martinswand einen Knick nach Nordwesten, sodass mit Leitstrahl Essig ist.
Auswirkungen in Wien (Flughafen im Südosten der Stadt:
Wien hat das Problem mit dem Gebirge und Leitstrahl nicht, so viel ist klar.
Allerdings herrscht in Wien kein Talwindsystem mit höchstens mäßigen Winden, sondern sehr häufig ein lebhafter bis kräftiger Wind. Am 9. Juni 2011 herrschte beispielsweise kräftiger Nordwestwind, was zu einem raschen Verschwinden des Fluglärms über der Stadt geführt hat. Die Tage davor wehte der Wind allerdings aus Südosten, und auch hier erreicht er speziell in den Höhen unterhalb 2 km recht unangenehme Geschwindigkeiten (60-70 km/h). Der Pilot ist daher gezwungen, von Nordwesten anzufliegen, der Fluglärm nimmt zu. Klimatologisch gesehen überwiegen im Sommer die Südostwinde, weswegen es in Wien oft viel trockener und sonniger als im restlichen Bundesgebiet ist, daraus resultiert generell mehr Nordwestanflug und mehr Fluglärm. Im Winter nimmt der Nordwestanteil zu (Kaltfrontdurchgänge), und der Fluglärm ab.
Erschwerend kommt im Sommer hinzu, dass wegen der höheren Temperatur die Luftdichte geringer ist, d.h. es benötigt mehr Gegenwind oder Flugzeuggeschwindigkeit, um den Auftrieb aufrechtzuerhalten.
Selbst wenn der Südostwind nicht so kräftig ist, wird der Pilot lieber von Nordwesten anfliegen, damit er weniger Leistung braucht. Das ist eben auch eine Kostenfrage. Schon ein paar Minuten zu lange am Flughafen stehen, verbraucht mehrere Tausend Liter Kerosin und zehntausende Euro. Wenn aber die Start- und Landeabwicklung zu lange dauert, weil man trotz Rückenwind startet oder landet (also von Südosten), dann stehen die Flugzeuge länger am Flughafen, die Kosten steigen massiv.
Das mit dem ausschließlich von Südosten anfliegen, schlägt sich also sowohl auf die Flugzeit, den Kerosinverbrauch (und Verschleiß) während dem Flug als auch am Boden nieder. Bei kräftigem Rückenwind kann es zudem gefährlich werden (Turbulenzen), das ist beispielsweise bei föhnigem Südwind oder einem Gewittersturm der Fall.
Das sind jetzt nur einige Gründe, es hängt auch vom Flugzeugtyp ab, bis zu welchen Windverhältnissen der Auftrieb noch gegeben ist, und von anderen Gründen, die ein Flugtechniker besser erklären kann.
Aber: die Airlines wollen Geld verdienen, und der Passagier will möglichst schnell und möglichst billig fliegen. Und das auch möglichst sicher .Bedingungen bei Föhn, Gewitter und winterlichen Sturmtiefs sind es nicht. Wenn Wien nicht so ein verdammt windiger Ort wäre, würde es häufiger von Südosten gehen.
Gruß